Material
»Erdenschwer« und unverformbar: Bakelit und Duroplaste.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war der Begriff Bakelit geradezu ein Synonym für Kunststoffe geworden, und seit dem Auftauchen seiner thermoplastischen Nachfahren nutzt der Volksmund den Namen zur Unterscheidung der alten, schweren Duroplaste (Melamine, Phenolharze) von dem, was er mehr oder minder abschätzig eben nur „Plastik“ nennt. Bakelit ist jedoch anders als jedermann aufgrund des allgemeinen Sprachgebrauchs vermutet, keine Gattungsbezeichnung, sondern eine Marke, und zwar eine der Bakelite AG zu Iserlohn (die seit die dortigen Rütgerwerke sie 2005 an Borden Chemical verkauft hatte, wechselnde Mutterschaften amerikanischer Chemieunternehmen genoß und heute der Momentive Specialty Chemicals gehört.)
Materialgeschichtlich steht Bakelit an einer Wegscheide: Zunächst war es, wie seine organischen Vorgänger (Zelluloid, Galalith) ein reiner Ersatzstoff für die in der beginnenden Massenproduktion knapp und teuer werdenden Rohstoffe Bernstein und Schellack. Dann aber, etwa seit den 20er Jahren, befreite sich der Stoff aus seiner frühindustriellen Lückenbüßerfunktion. Es entstand so etwas wie eine eigene Bakelitästhetik, von der die Bildbeispiele auf dieser Seite eine lebhafte Vorstellung geben. (Einige sind dem Ausstellungskatalog „Bakelit. Ein Werkstoff mit Zukunft“ des Landesmuseums Koblenz entnommen und stammen von Michael Jordan.) weiterlesen…
Begegnet man den Produkten realiter, dann ist ihr ästhetischer Vorsprung gegenüber solchen aus moderneren Kunststoffen unübersehbar. Woher der stammt? Zunächst: Anders als bei den unter Hitzeeinwirkung schnell verformbaren Thermoplasten werden bei den Duroplasten die Moleküle der Ausgangsstoffe dauerhaft und unumkehrbar umgebaut: Wenn ein Duroplast einmal geformt ist, kann er nicht mehr verändert, sondern nur noch zerstört werden. Die Dauerhaftigkeit des stofflichen Gefüges teilt sich offenbar auch der äußeren Form und der ganzen Erscheinung des Dinges mit, das daraus gemacht wurde: Dinge aus den Duroplasten wirken, wie Anna Carola Krausse es anläßlich der Kunststoffausstellung des Deutschen Werkbunds** ausdrückte, „erdenschwer“.
Außerdem: Bakelite sind aufgrund der materialtypischen Stoffzuschläge meistens schwarz, immer dunkel, niemals grell bunt oder pastellig. Bakelit widersetzt sich also in Farbe und Form den Blüten- und den Fieberträumen der Designer. Zu deren Verwirklichung bedurfte es eines fügsameren Stoffes, des „willigen Plastik“ (A.C. Krausse), das ab den 50er Jahren mit den Thermoplasten zur Verfügung stand, „leichter, geschmeidiger“ war und „geschäumt, gespritzt, gegossen und vor allem in hellen Farbtönen“ hergestellt werden konnte. Plastik ist, anders als Bakelit – „der adäquate Werkstoff für grenzenlose Gestaltungsphantasien. Die Designer stießen in unbekannte Dimensionen vor, die Formen wurden immer amorpher und aufgeblähter“.
Die Eigenfärbung der Bakelite ins Dunkle gilt übrigens nicht für alle Duroplaste, sonst könnten wir ja die weiße Schalterserie gar nicht anbieten. Bakelit und seine duroplastischen Verwandten spielen immer noch eine bedeutende Rolle – eine unübersehbare und immer größer werdende im Antiquitätenhandel und in den zahllosen Auktionshäusern des Internet, eine wichtige, eher versteckte nach wie vor auch bei technisch anspruchsvollen Anwendungen in der Elektro- und Automobilindustrie, in der Raumfahrt- und Waffentechnik: kein Stoff von gestern also. – Und wo immer er Ihnen bei Alltagsgeräten (als Material für Gehäuse, Griffe, Schalter usw.) begegnet, da können Sie sicher sein, daß der Hersteller nicht darauf aus war, ein paar Mark zu sparen, sondern auf Qualität. Im folgenden neue und alte Produkte, und wir nennen sie dann, wenn das Rohmaterial aus Iserlohn kommt, Bakelit*, wenn nicht, dann Duroplast. Das oben Gesagte gilt immer.
* Bakelit® ist ein eingetragenes Warenzeichen der Momentive Specialty Chemicals GmbH
** Anna Carola Krausse: Vortrag zur Ausstellungseröffnung „Die Kunststoffsammlung ist niemals echt“ – Werkbund-Archiv 25 weniger lesen…
Die Vorteile
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Die hohe Festigkeit gegen mechanische Beanspruchung, ihre Temperaturbeständigkeit und Isolierfähigkeit machen Bakelit und andere Duroplaste zu idealen Werkstoffen für elektrotechnische Anwendungen.
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Bakelit und andere Duroplaste bleiben bei Temperaturen bis etwa 300 °C unverändert und sind deutlich härter und spröder als die heute überwiegend anzutreffenden Thermoplaste. Unter Einwirkung von Druck und Zug brechen sie eher, als dass sie sich verformen.
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Anders als die heute fast ausschließlich verbreiteten Schalter und Steckdosen aus Thermoplasten vergilben Schalter aus Bakelit und weißem Duroplast nicht, sondern bleiben über Jahre hinweg unverändert in der Farbe.
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Das Innenleben unserer Schalterserien aus Bakelit und weißem Duroplast besteht wie das Innere der Porzellanschalterserie aus Steatit und ist mithin langlebig, durchschlags- und kriechstromfest.
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Unter der Oberfläche der Drehschalter verbirgt sich ein ausgefeiltes technisches Innenleben – die dem Auge verborgene keramische Schaltermechanik macht sich den Ohren durch das für echte Drehschalter typische Klack-Geräusch bemerkbar und teilt sich auch haptisch mit.
Produkte aus Bakelit
Das Bakelitmuseum in Kierspe:
Allein im sauerländischen Kierspe gab es im frühen 20. Jahrhundert 36 Betriebe mit über 450 Kunststoffpressen. Die so entstandenen Produkte aus Bakelit waren und sind weit über die Grenzen hinaus bekannt und begehrt. Das Bakelitmuseum in Kierspe gibt seit 2003 davon Zeugnis mit mehreren tausend Exponaten, von der Küchenmaschine bis zum Fahrradgriff. Geöffnet jeden Mittwoch von 15 bis 18 Uhr.
Folgend sehen Sie nur drei Beispiele aus der reichen Anwendungsgeschichte des Werkstoffs Bakelit. Eine neue Version der unten abgebildeten Gelenkleuchte können Sie bei uns bestellen.